Europa und Teetrinken - das ist eine besondere Beziehung.
Manon Kinnen von Tastea

Essay

Ein Schnittlauchbrot. Achtung:
aufwendig und teuer!

von Barbara Höller

ein Butterbrot
mit Schnittlauch

Zutaten für eine Person

raue Mengen von Erde, Wasser und Sonnenlicht
eine Handvoll Schnittlauchsamen
eine Schürze voll Roggensamen
eine halbe Krug Milch

1
Ein Stück Erde ist der Anfang aller Dinge. Gut auflockern! Danach Schnittlauchsamen säen und leicht einarbeiten. Bald sprießen die Triebe. [Wichtig ist die regelmäßige Zufuhr von Sonne und Regen] Nach einigen Wochen ist ein großer Busch Schnittlauch gewachsen. Einen Bund Schnittlauchröhrchen abschneiden und in 1 – 2 mm lange Stücke schneiden.

2
Das nächste Thema hat mit einem Tier zu tun. Wir benötigen Milch einer Kuh. So ein Wesen ist nicht ganz leicht zu treffen, vor allem in einer Großstadt.
Oder? Aber he – hallo! Was ist das? Da ist ja eine! Nun, ihr Euter ist prall gefüllt – nun los: wir haben zwar keine Ahnung, „wie“ aber wir quetschen da ein bisserl Milch heraus.

mmh mmh – leckere Milch! Wunderbarerweise einen ganzen Eimer voll. Nun ein wenig davon trinken (!) und den Rest über Nacht stehen lassen. Am nächsten Morgen sollte sich der Rahm oben abgesetzt haben. Diesen nun abschöpfen und mit dem Schneebesen schlagen. schlagen – schlagen – schlagen!
Irgendwann sollte es Butter werden, Butter sein!

 

3
Nun ist ein kleiner Acker zu besorgen, zu pflügen und zu säen. Diesmal Roggensamen (klassische Variante). Sonne muss aber wärmen, Regen muss wässern.

 

 

Nach einem halben Jahr (nein, in der Wartezeit gibt es kein Butterbrot!) – ja, danach darf das Korn geerntet werden. Dann heißt es: schneiden – trocknen – bündeln und die Körner abstreifen.

 

4
Der nächste Schritt sollte am besten zu einer Wassermühle führen, in welcher die Körner zu Mehl gemahlen werde. Wem das Selberbauen eine Mühle zu mühsam ist (Mühlstein, Wasserrad, etc.) bleibt die Freude der körperlichen Arbeit:
Mit einem kleinen handlichen Stein lassen sich die Körner auf einem steinigen Untergrund auch sehr gut zu Mehl zerreiben.

5
Für das allereinfachste Roggenschwarzbrot brauchen wir noch ein paar feine kleine Dinge:
zunächst einen Sauerteig – er entsteht auf geheimnisvolle Weise aus Mehl und Wasser innerhalb einiger Tage durch eine Art Gärung. Allerdings sollte er an einem warmen Ort gehalten werden. Und zwischendurch nicht vergessen: auch mal umrühren!

6
Und dann ist da auch noch das Salz.
Ein kleiner Ausflug ist von Nöten.
Das Meer ist leider viel zu weit entfernt, also gehts ab in ein heimisches Salzbergwerk. [heimlich nächtens einschleichen!]
Dort sollte ein Salzkristall zu finden sein, aus diesem kann durch Zerkleinern und Reiben das wertvolle Granulat gesammelt werden.

7
Das Vermengen beginnt:
Mehl, Wasser, Salz und Sauerteig emsig verrühren, danach mit den Händen auf einer gut bemehlten Arbeitsfläche weiterkneten, bis ein fester Teig entsteht. „Kraftvolles Durchwalken“ ist genau der richtige Terminus. Solange, bis er sich von den Fingern löst. Danach soll er rasten, der Teig. Ruhe!

8
Nun ein Brot formen. Falsch, einen „schönen Laib“! [und: wichtig: mit dem Messer oder der Gabel ein eindeutig zuordenbares Symbol der Küche in die Deckschicht ritzen]
Ab damit in einen sehr sehr heißen Backofen. (Natürlich müsste zuerst Holz gesammelt und ein Backofen gebaut werden – Steine, Mörtel, Rauchabzug etc.)

9
Nach circa einer Stunde ist das Brot fertig. Duft! Duft!
Aber Achtung: das Brot erst aufschneiden, wenn es ausgekühlt ist!
Und nun:
Eine Scheibe Brot mit Butter bestreichen und mit Schnittlauch bestreuen.
Und nun:
Essen.

10
Und nun
sah ich doch kürzlich, dass im Restaurant ein „Butterbrot mit Schnittlauch“ um nur drei Euro angeboten wird!
Und wie soll das gehen?
Kann mir jemand das erklären?
Bei all dieser Mühe?

 

 

 

Über den/die AuthorIn

geboren 1959 in Wien, Studium an der Hochschule für angewandte Kunst Wien und an der Universität Wien (Mathematik). Zahlreiche Preise und Stipendien. Mitarbeit in verschiedenen Künstler*innenprojekten und Kollaborationen (z.B. Konrad Rautter, vakuum, celle, Mike Wegerer, Ilse Ermen) und kuratorische Projekte. Seit 2016 Leitung Ausstellungsraum sehsaal in Wien. Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland. Lebt und arbeitet in Wien und Ungarn.
Arbeitsschwerpunkt im Bereich der konzeptionellen erweiterten Malerei.

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